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1. Juni 2021 Ingrid Diener

«Noch mehr unterschiedliche Menschen»

Mehr grosse Wohnungen – das wünscht sich Faust Lehni, Leiter Mitglieder und Wohnen bei der ABZ, für unserer Genossenschaft. Damit könnte die ABZ etwa Grossfamilien und grosse Wohngemeinschaften noch besser ansprechen.

In unserem Magazin «ABZforum» berichten wir über innovative Wohnformen und zeigen vier aussergewöhnliche Alternativen zur klassischen Familienwohnung. Bei der ABZ ist Faust Lehni, Leiter Mitglieder und Wohnen, für diesen Bereich zuständig. 2018 hat er zudem die Studie «Innovative Wohnformen» der Hochschule Luzern begleitet. Sie zeigt, wie sich unser Wohnen verändern könnte.

Im Interview erklärt Lehni, dass bei innovativen Wohnformen für ihn nicht nur die Wohnform an sich zählt, sondern die Struktur der ganzen Siedlung. Zudem verrät er, was die ABZ bezüglich innovativer Wohnformen vorhat.

Wodurch zeichnen sich innovative Wohnformen für Sie aus?

Innovative Wohnformen schlagen Lösungen vor für neue Wohnbedürfnisse, die durch gesellschaftliche Entwicklungen entstehen. Aus meiner Sicht geht es bei innovativen Wohnformen aber um mehr als die Form an sich: Es geht um die Siedlung als Ganzes. Diese ist einerseits geprägt von einem breiten Wohnungsmix, der etwa auch Cluster-, Mikro- und Hallenwohnen beinhaltet. Dazu kommen knappe private Wohnflächen zugunsten zusätzlicher Räume, die die Bewohnenden miteinander teilen, wie Gemeinschaftsräume, Ateliers und Innenhof.

Und andererseits?

Andererseits ist eine Siedlung immer Teil eines Quartiers. Und zu diesem Quartierleben soll die Siedlung einen Beitrag leisten, indem beispielsweise die gemeinsam genutzten Räume auch den Menschen aus der Nachbarschaft zugutekommen und verschiedenes Gewerbe die Nahversorgung sicherstellt. Nicht zuletzt finde ich es innovativ, wenn die Bewohnenden ihr Zuhause immer wieder aktiv mitgestalten können, indem sie beispielsweise die Nutzung der Gemeinschaftsräume definieren und über die Gestaltung ihrer Innenhöfe entscheiden.

Wenn Sie an innovative Wohnformen denken – welche Leuchtturmprojekte gehen Ihnen durch den Kopf?

Da wäre zum Beispiel Le Corbusiers «Unité d’Habitation» aus den 1950er-Jahren, wo Wohnen neben Einrichtungen des täglichen Bedarfs stattfindet. Dazu gehören etwa ein Hotel, eine Wäscherei, ein Kindergarten, ein Theater, eine Sporthalle und Geschäfte. Ein Beispiel aus den 1990er-Jahren ist das Wohn- und Kulturprojekt Sargfabrik in Wien, wo Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensentwürfen wohnen und eine Gemeinschaftsküche, eine Bibliothek, eine Werkstatt und einen Clubraum teilen. Öffentliche Angebote wie ein Restaurant, Kulturhaus, Badehaus, Seminarräumen und Kindergarten stehen dem ganzen Quartier zur Verfügung.

«Schön ist, dass wir von all diesen Projekten lernen können.»

Faust Lehni, Bereichsleiter Mitglieder und Wohnen bei der ABZ

Welche Projekte sind Ihnen in der Region Zürich aufgefallen?

Mehrere Genossenschaften haben in der Region Zürich Zeichen gesetzt: zum Beispiel Kraftwerk1 und mehr als wohnen. Das aktuellste Beispiel ist sicher das Zollhaus der Genossenschaft Kalkbreite. Hier beeindruckt mich das Hallenwohnen. Diesbezüglich hat sie grossen Mut und viel Ausdauer bewiesen. Schön ist, dass wir von all diesen Projekten lernen können.

Welche neuen Wohnformen würden Sie gerne in der ABZ sehen?

Neuere ABZ-Siedlungen verfügen bereits über einen breiten Wohnungsmix und ein vielseitiges Angebot an gemeinschaftlich nutzbaren Innen- und Aussenräumen. Jedoch haben nur drei unserer rund 5000 Wohnungen mehr als 6,5 Zimmer. Grössere Wohnungen würden unser Angebot noch diverser machen und dem Bedürfnis einiger Mitglieder entsprechen. Ich stelle mir zum Beispiel eine Wohnung mit acht bis zehn Zimmern und mehr vor. Dort könnte eine grosse Wohngemeinschaft, Junge oder Grossfamilien wie Patchwork- oder Mehrgenerationenfamilien leben. Auch Clusterwohnungen sind aus meiner Sicht denkbar

Der grüne Gartenhof der ABZ-Siedlung auf dem Hardturm-Areal auf der vom Stadion abgewandten Seite.
Das Hochhaus und der Zeilenbau links, gesehen vom Dachgarten. Rechts der Gemeinschaftsraum.
Das Hochhaus und der Zeilenbau rechts davon, gesehen vom Quartierpark her.

Ist etwas Konkretes geplant?

Auf dem Koch-Areal wird es die sogenannten Gemeinschaftscluster geben, die eine ABZ-Innovation sind. In der Siedlung Hardturm sind zurzeit zwei Grosswohnungen mit 11,5 Zimmern geplant. Das Bauprojekt für den Ersatzneubau der Siedlung Kanzlei wurde vor über fünf Jahren konzipiert und sieht bisher keine grösseren Wohnungen vor. Deshalb wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, die Realisierbarkeit von Grosswohnungen zu prüfen. Und beim Ersatzneubau der Siedlung Herrlig werden wir uns den neuen Wohnformen auch annehmen.

Mit dem Thema setzt sich die ABZ also intensiv auseinander. Doch wollen die Bewohnerinnen und Bewohner überhaupt «neu» wohnen?

Als wir die Hausgemeinschaft 55+ vor 15 Jahren ins Leben riefen, hat das grosse Aufmerksamkeit erregt. Das gab es bis zu diesem Zeitpunkt meines Wissens nicht. Heute sagen die Bewohnenden, dass sie gerne in den Hausgemeinschaften leben. Grundsätzlich ist es aber so, dass das Interesse an neuen Wohnformen sinkt, je konkreter das Projekt wird: Anfangs ist der Anklang gross. In der Auseinandersetzung mit den eigenen Wohnbedürfnissen nehmen die Gründe jedoch zu, warum sich die Menschen dann doch dagegen entscheiden. In die ABZ-Hausgemeinschaften zogen zum Beispiel jeweils höchstens 30 Prozent der ABZ-Mitglieder ein, die von Beginn an Interesse zeigten. Deshalb sind neue Wohnformen aus meiner Sicht ein wertvolles Nischenprodukt für eine kleine Zielgruppe.

Ein Nischenprodukt, das auch Sie ansprechen würde?

Meine Frau und ich wohnen in einer ganz «normalen» Liegenschaft. Der Wechsel in die ABZ zum Beispiel wäre schon ein riesiger Sprung. Da würden wir ein grosses Stück innovativer wohnen, als wir das jetzt tun. Wäre ich alleine, könnte ich mir gut vorstellen, in einer grossen Wohngemeinschaft oder in einer Clusterwohnung zu leben.

Visualisierungen
Nightnurse Images

Fotografie
Margherita Angeli

Ingrid Diener

Ist Wandervogel, Tennis-Fan und Teetrinkerin. Hat am liebsten Sommer. Bei der ABZ für die Kommunikation im Einsatz.

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