Bunte Mischung
Die Corona-Pandemie hat Anlässe wie die Mieter/innen-Jahresversammlung in den letzten beiden Jahren kräftig durcheinandergewirbelt. Wie sah es in diesem Jahr aus? Auf Streifzug durch vier Siedlungen.
Vor ein paar Tagen wurde zum letzten Mal im Rahmen der Mieter/innen-Jahresversammlung (MJV) abgestimmt, diskutiert, geplant, gelacht. Bis Ende Mai hatten die Siedlungen in diesem Jahr Zeit, die MJV durchzuführen. Wieder etwas länger als gewöhnlich, da das Coronavirus zum dritten Mal in Folge etwas Flexibilität einforderte. «Viele Siedlungen haben aber auch Lust bekommen, sich draussen zu treffen», bemerkt Marco Hort, Siedlungs- und Quartierarbeit bei der ABZ. «Das kann den Vorteil haben, dass mehr Laufpublikum vorbeischaut oder die Kinder der Teilnehmenden parallel auf dem Spielplatz spielen können. Alles, was die Schwelle zur Teilnahme senkt, hilft.»
Die Siedlungs- und Quartierarbeit würde es begrüssen, wenn diese Entwicklung auch ohne Pandemie weiter anhält. Grundsätzlich unterstützt sie Ideen, die den Zugang zur MJV einem vielfältigen Publikum möglich machen. Das können zum Beispiel eine familienfreundliche Uhrzeit, Kinderbetreuung vor Ort oder ein mehrsprachiges Programm sein. Noch mehr Inspiration finden Mitglieder der Sikos beim jährlichen Erfahrungsaustausch zum Thema MJV, der von der Siedlungs- und Quartierarbeit organisiert wird.
Auch in diesem Jahr waren ganz unterschiedliche Ideen und Umsetzungsformen dabei, wie ein exemplarischer Streifzug durch die Siedlungen Vogelsang, Allmend, Rütihof und Sihlfeld zeigt.
Draussen: Siedlung Vogelsang
21 Personen, 8 Wohnungen, 1 Haus – das ist die Siedlung Vogelsang. Klar, dass die MJV hier familiärer abläuft als in anderen Siedlungen. Nachdem sie im letzten Jahr noch schriftlich abgehalten wurde, konnte sie in diesem Jahr am 2. Mai bei schönster Abendstimmung im Garten des Hauses am Züriberg stattfinden. «Bei schlechtem Wetter wären wir unter die Pergola oder in die Gemeinschaftsküche ausgewichen», erklärt Werner Sieg, Präsident der Siko Vogelsang.
Alle Mietparteien nahmen mit mindestens einer Person teil, nur eine Familie war verhindert. Diskutiert wurde neben den üblichen Traktanden vor allem über Hunde als Haustiere und Probleme mit der Heizung. In der 33-jährigen Geschichte der Siedlung Vogelsang seien die MJVs immer reibungslos verlaufen, so der Präsident. Bei grossen Veränderungen wie Neuvermietungen oder Umbauten in Haus und Garten wurden Sondersitzungen einberufen. Nach einer guten Stunde waren alle Punkte besprochen. Das Fazit: «2023 werden wir es wahrscheinlich wieder ganz genauso machen».
Drinnen: Siedlung Allmend
Die MJV der Siedlung Allmend fand bereits früh im Jahr statt, am 29. März, drinnen im Gemeinschaftsraum. Gerechnet hatte die Siko mit acht Personen, die sich angemeldet hatten. Gekommen sind um die 30 – eine grosse Überraschung und voller Erfolg. Auch das Feedback der Bewohnerinnen und Bewohner war insgesamt positiv, kleine Unstimmigkeiten gab es bei unterschiedlichen Erwartungen an den Anlass. Insgesamt schienen alle froh, wieder zusammenkommen zu können. «Unser Motto war: Zurück zur Normalität. Auch wenn das gemeinsame Essen im Anschluss in diesem Jahr noch ausfallen musste», erklärt Gorica Timotijevic, Präsidentin der 8-köpfigen Siko.
Dafür durften sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer über einen Gutschein einer benachbarten Bäckerei freuen. «Schenken hat bei uns Tradition», sagt Gorica Timotijevic stolz. Mal gab es einen Schokohasen, mal ein Blümchen, in jedem Fall eine Form von Wertschätzung. Nur eines ist im Trubel der Traktanden untergegangen: Fotos.
Schriftlich: Siedlung Rütihof 1+2
Wie ein Sprung ins kalte Wasser – so kam es den drei jungen Frauen vor, die 2021 in die Siko Rütihof gewählt wurden und 2022 zum ersten Mal die MJV organisieren durften. «Wir haben intensiv diskutiert, wie wir es machen wollen und uns aus verschiedenen Gründen für die schriftliche Form entschieden», erklärt eine von ihnen, Siko-Präsidentin Tamara Hafner.
So verschickten sie vorab schriftliche Einladungen mitsamt Antragsformular, mit dem die Bewohnerschaft ihre Anliegen eingeben konnten. Aus den Anträgen und Wahlunterlagen ist ein zwölfseitiges Dossier entstanden, das die Bewohnerinnen und Bewohner dann in aller Ruhe am Küchentisch studieren konnten. Für die Zukunft hat die Siko auch schon viele Ideen: «Wir möchten die MJV spannender gestalten, vielleicht mit einem Flohmi oder einem Siedlungsfest.»
Aktiv: Siedlung Sihlfeld
Samstagmorgen, 10 Uhr: Frischer Kaffeeduft zieht durch den Innenhof und begrüsst die Bewohnenden zur MJV 2022. So entspannt kann eine MJV beginnen, zumindest in der Siedlung Sihlfeld. Gestärkt mit Kaffee und Gipfeli bereiteten die Bewohnenden Projekttafeln vor, auf denen Themen vorgestellt werden und Gruppen ihre Arbeit präsentieren können. «Den Pflichtteil haben mit 30 Minuten bewusst kurz angesetzt», erklärt Tabea Guhl, neue Co-Präsidentin der Siko. «Wir nehmen die Abläufe ernst, aber es ist wie ein Spiel mit lustigen Regeln.»
Eine der Regeln war beispielsweise, dass die Bewohnenden mit roten Zetteln abstimmen. Eine Glocke gab dafür den Takt an. Nach dem formellen Teil wurde ein Mittagsbuffet aufgetischt, das Zeit für einen Schwatz unter Nachbarinnen und Nachbarn liess. Oder für den Austausch mit der ebenfalls eingeladenen Siko der benachbarten Siedlung Kanzlei. Im Anschluss an die MJV fand ein Gartentag statt, es wurden Keller und Innenhof entrümpelt. «Das hat sich sehr bewährt, wir hatten viele helfende Hände.» Den Bewohnerinnen und Bewohnern scheint es auch gefallen zu haben: Mit 50 bis 60 Teilnehmenden war auch die diesjährige MJV im Sihlfeld gut besucht.
Zukunft der MJVs
In welcher Form MJVs in Zukunft stattfinden könnten, nimmt die ABZ aktuell mit dem Projekt «Weiterentwicklung Freiwilligensystem» unter die Lupe. Muss man sich ein Mal pro Jahr treffen? Braucht es gewählte Personen? Geht es auch digital? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Projekt, das im Mai mit ersten Workshops gestartet ist. Ziel ist es, gemeinsam das gesamte Freiwilligensystem zeitgemässer auszurichten. Möglicherweise gibt es dadurch auch neue Impulse für die MJVs.
Fotografie
Kathy Bühler, Tabea Guhl, Lena Tovar