Menu
13. März 2025 Nena Morf

«Der familiäre Aspekt ist Gold wert»

Die ABZ legt Wert auf altersgerechten Wohnraum. Experte und Berater Felix Bohn erläutert die unterschiedlichen Aspekte von altersgerechtem Wohnen – und unterstreicht, wie wichtig die gesellschaftliche Sensibilisierung ist.

Sie wurden zu einem Projekt der ABZ hinzugezogen: Der Aussenraum der Siedlung Rütihof 1 wurde altersgerecht saniert. Worauf ist dabei zu achten?

Im Zentrum stehen immer Mobilität und Sicherheit. Auch ältere Bewohner:innen sollen möglichst überall hinkommen und selbst im Dunkeln keine Angst haben, dass sie sich verletzen. Oft wird den Details zu wenig Beachtung geschenkt – beispielsweise kann es einen grossen Unterschied machen, welchen Belag man für einen Fussweg wählt: Nicht jeder kann mit dem Rollator gemeistert werden.

Altersexperte Felix Bohn hat die ABZ bei der altersgerechten Sanierung der Siedlung Rütihof 1 unterstützt.

Was sind die wichtigsten Faktoren einer altersgerechten Umgebung?

Es gibt drei zentrale Aspekte: den baulichen, den sozialen und den medizinisch-therapeutischen Aspekt. Bei letzterem geht es um eine gute medizinische Betreuung. Dazu gehören auch Bezugspersonen, die diese Betreuung begleiten. Dann stufen viele ältere Personen ein soziales Umfeld als enorm wichtig ein: Oft leben sie lieber in einer nicht altersgerechten Wohnung, solange es irgendwie noch geht, wenn sie dafür in ihrer gewohnten Nachbarschaft sein können.

Auch aus dem diesjährigen Age Report geht hervor, dass die Nachbarschaftsbeziehungen zentral sind. Das spricht für soziale Wohnformen.

Ja, definitiv: Ein besseres Wohnmodell als Genossenschaften gibt es nicht. Das zeigt sich etwa darin, dass ältere Bewohner:innen nicht «abgeschoben werden». Wenn sie in eine kleinere und altersgerechtere Wohnung wechseln möchten, können sie oft in derselben Siedlung in eine hindernisfreiere Parterrewohnung oder in ein Haus mit Lift ziehen. Dann ist der familiäre Aspekt einer Genossenschaft Gold wert: Man kennt sich und achtet aufeinander. Dieser Gemeinschaftsgedanke sorgt für das Gefühl von Sicherheit.

«Auch ältere Bewohner:innen sollen möglichst überall hinkommen und selbst im Dunkeln keine Angst haben, dass sie sich verletzen.»

Felix Bohn, Fachberater für alters- und demenzgerechtes Bauen

Wie steht es um den baulichen Aspekt beim altersgerechten Wohnen?

Der bauliche Aspekt geht oft unter – es wird zu wenig auf Details geachtet oder zu wenig umfassend geplant. Ein T-förmiges Stahlprofil entlang der Treppe ist noch kein Handlauf. Es kann nicht richtig gegriffen werden und bietet deshalb wenig Halt. Ältere Menschen brauchen runde, gut umfassbare Handläufe, die sich farblich von der Wand abheben. Und zwar auf beiden Seiten der Treppe – denn in welcher Hand die Arthritis stärker ist, kann man sich nicht aussuchen. Solche Beispiele gibt es zuhauf: Sie reichen von einer zu schwachen oder blendenden Beleuchtung über rutschige Bodenbeläge bis hin zu Kochfeldern ohne Drehschalter, die nur mit gesunden Augen bedient werden können. Oft steht bei den Planenden das Design über der Funktionalität – und das sollte nicht sein: Ältere Menschen sind auf eine ergonomisch durchdachte Umgebung angewiesen.

Ältere Menschen warten immer länger, bis sie in ein Heim gehen. Worauf ist dies neben dem sozialen Aspekt noch zurückzuführen?

Das zeichnet sich schon länger ab: Altersheime sind mittlerweile in der Regel Pflegeheime. Auch dort sind die baulichen Massnahmen übrigens oft nicht so gut, wie sie sein könnten. Gesundheitspolitisch wurde entschieden, dass ambulante Dienste gefördert werden: Das begünstigt diese Entwicklung. Die heutigen Pensionierten sind durchschnittlich gesünder – auch, weil sie die nötigen Mittel haben. Zudem ist es gesellschaftlich immer erwünschter, dass es eine Durchmischung gibt. Alle Menschen sollen in das gesellschaftliche Leben integriert werden.

«Ältere Menschen sind auf eine ergonomisch durchdachte Umgebung angewiesen.»

Felix Bohn, Fachberater für alters- und demenzgerechtes Bauen

Wann sollte sich denn jeder und jede dem Thema Wohnen im Alter persönlich annehmen?

Früher als die meisten denken: idealerweise ab etwa 50 Jahren. Man muss sich konkret fragen: Was für Anpassungen bräuchte ich in meiner Wohnung, wenn meine Mobilität eingeschränkt wäre? Oder: Wie gelänge das Einkaufen oder der Weg zu Tram und Bus mit dem Rollator? Gibt es unüberwindbare Hindernisse? Oft fehlt es beim Bauen an empathischem Vorstellungsvermögen. Mehr Sensibilisierung wäre enorm wertvoll – für ältere Personen, aber auch für Familien und Menschen mit Beeinträchtigungen. Man sollte sich immer fragen: Wie erleben Menschen mit anderen Vorzeichen als ich diese Umgebung?

Felix Bohn

Felix Bohn ist Fachberater für alters- und demenzgerechtes Bauen. Er entwickelt Planungsrichtlinien für altersgerechte Wohnbauten und hält Vorträge vor Fachleuten und Gemeinden. Seine Expertise fördert das Verständnis für die Bedürfnisse älterer Menschen im Wohnumfeld.

Fotografie
Sun Fotografie

Nena Morf

Nena Morf ist Inhaberin und Geschäftsführerin des Textbüros Konrad. Das Textbüro Konrad unterstützt die ABZ bei redaktionellen Arbeiten.

Artikel teilen