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7. Mai 2024 Lena Tovar

Strom vom ABZ-Dach

Zusammen mit der ABZ-Geschäftsstelle und der Energiewendegenossenschaft Region Winterthur hat die Gruppe Solaroffensive im April über 60 Solarmodule auf dem Dach von Entlisberg 4 installiert. Das Projekt war im Rahmen des ABZ-Dialogs entstanden.

Eigentlich beginnt die Geschichte der Gruppe Solaroffensive mit einem Dämpfer. 2022 erreichte ABZ-Bewohner Korgün Cay ein Brief der Geschäftsstelle. Darin wird er gebeten, die Solarmodule, die er ein paar Monate zuvor auf seinem Balkon angebracht hatte, zu entfernen. «Ich war sehr irritiert, da sich die ABZ eigentlich für erneuerbare Energien einsetzt.» Das stimmt auch, was die 18 Photovoltaikanlagen der ABZ zeigen. Allerdings sind Solarmodule nur innerhalb des eigenen Balkons und mit Bewilligung der ABZ-Geschäftsstelle zulässig. Eine Installation ausserhalb des Balkonsgeländers ist aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt.

Die Unterkonstruktionen für die Solarpanels werden für den Transport auf das Dach vorbereitet.

In der Nachbarschaft traf Korgün Cay auf Beat Locher, der sich ebenfalls für Solarenergie interessiert. Es folgte ein langes Gespräch über lokale, nachhaltige Stromproduktion und die Energiewende. Im Rückblick der Gründungsmoment der Gruppe Solaroffensive. Die beiden Männer beschlossen, gemeinsam aktiv zu werden. Der Fokus wechselte vom Balkon aufs Dach und sie liessen erste Machbarkeitsstudien anfertigen. Ein glücklicher Zufall spielte ihnen in die Karten: Im November 2022 sollte erstmals das neue Format ABZ-Dialog durchgeführt werden. Dort erhalten ABZler:innen die Möglichkeit, die gesamte Genossenschaft inklusive Vorstand und Geschäftsleitung von ihren Ideen zu überzeugen.

Zeitgleich sass auch Stefanie Gubler, Fachspezialistin Ökologie bei der ABZ, am Schreibtisch und nahm im Rahmen der Strategie 105+ sämtliche Dächer der Genossenschaft unter die Lupe. Das Ziel: Die Photovoltaik in der ABZ weiter vorantreiben. Schliesslich ist in der Strategie festgehalten, einen Beitrag zur Produktion von wertvollem, lokalem Solarstrom zu leisten. Die Mehrheit der geeigneten Dächer in der ABZ sind bereits mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet. Sie produzieren drei Gigawatt Strom pro Jahr, der über 1000 Haushalte versorgt. Auf unserem Solarportal ist in Echtzeit ersichtlich, wie viel Strom die ABZ-Anlagen produzieren. Potenzial für noch mehr Solarstrom in der ABZ ist aber weiterhin vorhanden. So erklärt Stefanie Gubler: «Wir hatten das Dach im Entlisberg 4 von Anfang an im Fokus. Als dann die Anfrage der Gruppe Solaroffensive kam, war für uns klar, dass wir dieses Gebäude priorisieren.»

Zustimmung am ABZ-Dialog

Am Tag des ABZ-Dialogs war das Interesse am Stand der Gruppe Solaroffensive gross. Der Krieg in der Ukraine hatte das Thema Energiesicherheit bei vielen Bewohner:innen auf die Tagesordnung gebracht. Für Korgün Cay lag eine «Wenn nicht jetzt, wann dann?»-Stimmung in der Luft. Danach wuchs die Gruppe auf vier Mitglieder an und traf sich im Dezember 2022 für die nächsten Schritte. Ein gemeinsamer Chat sorgte für den nötigen Austausch, auf WINK wurde eine Gruppe eingerichtet, um die Genossenschaft über Updates zu informieren. Keiner aus der Gruppe kommt direkt aus der Solarbranche, doch sie vereinen Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen und bringen vor allem eine grosse Portion Idealismus mit. Für das notwendige Fachwissen holte Beat Locher die Energiewendegenossenschaft Region Winterthur (ERW) mit ins Boot. Diese leitet ihre Mitglieder fachlich bei der Installation einer PV-Anlage in Selbstbauweise an und konnte dadurch bislang rund 350 Anlagen in der Region realisieren.

Frust und Fortschritt

Im März 2023 stand das erste Treffen mit der ABZ-Geschäftsstelle an. Am runden Tisch wurde genau besprochen, wer welche Aufgaben übernimmt und wie die Mitwirkung der Bewohner:innen aussehen kann. Spätestens ab dann war auch Marco Hort, Siedlungs- und Quartierarbeit bei der ABZ, stark in das Projekt involviert. «Es ist absolut selten, dass Bewohner:innen auf dieser Fachebene mitentwickeln. Das war für uns alle anspruchsvoll, aber die hohe Motivation auf beiden Seiten hat es möglich gemacht», erklärt er.

Alle Beteiligten wollten gleich im Frühling 2023 loslegen, doch die ERW musste die Vorfreude bremsen: Aufgrund von vielen Nachfragen hatten sie keine Kapazität. Das führte vor allem bei der Gruppe Solaroffensive zu Frust. Marco Hort war es wichtig, Spannungen konsequent anzusprechen: «Bei Mitwirkungsprojekten spielt der Umgang mit Erwartungen immer eine grosse Rolle. Lange Prozesse, Lieferengpässe, Personalmangel… all das kann ein Projekt verzögern und zu Enttäuschungen führen.» Er half dabei, mit Herausforderungen umzugehen und das Projektziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Ab aufs Dach

In diesem Frühling war es dann so weit: Über 60 Solarmodule wurden im April auf dem Dach von Entlisberg 4 installiert. Martin Ovenstone, Co-Geschäftsführer der ERW, übernahm die Bauleitung und stand mit einer Handvoll Helfer:innen auf dem Dach: Betonprofile positionieren, Solarmodule aufs Dach befördern, verteilen und an die Betonprofile anschrauben, dann noch die Verkabelung. Zu Beginn der Arbeiten gab es eine kurze Einführung. «Technisch gesehen ist die Installation nicht schwierig, aber körperlich anstrengend. Als Bauleiter achte ich deshalb unter anderem auch darauf, dass wir genügend Pausen machen und dass für ausreichend Sonnenschutz gesorgt ist», erklärt der zertifizierte PV-Planer. Die Pausen fanden im benachbarten Vereinslokal «Im Vogel» statt, in dem Beat Locher für die 15 fleissigen Helfer:innen kochte.

«Technisch gesehen ist die Installation der Solarmodule nicht schwierig, aber körperlich anstrengend.»

Martin Ovenstone, Co-Geschäftsführer der Energiewendegenossenschaft Region Winterthur

Die Solaranlage kommt nun voll und ganz den Bewohner:innen des Hauses zugute. Damit kann der jährliche Strombedarf von zehn ABZ-Wohnungen gedeckt werden. Oder von rund 333 E-Bikes. Mit der Anlage im Entlisberg 4 macht die ABZ erneut einen wichtigen Schritt für die Förderung der Solarproduktion. Weitere Projekte werden folgen. Auch die Gruppe Solaroffensive ist noch lange nicht fertig. Ihr Ziel ist es, so rasch wie möglich alle Siedlungen in Wollishofen mit Solaranlagen auszustatten. Danach weitere ABZ-Siedlungen, die Stadt, den Kanton. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Fotografie
Reto Schlatter

Lena Tovar

Mag Menschen, Magazine und Sommertage in der Badi. Reist am liebsten mit dem Zufall. Ist für die ABZ als Freelancerin unterwegs.

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